Fachzeitschriften berichten in den letzten Monaten bereits wieder vermehrt über das Thema „FIRE“. Paare, die ganz begeistert sind, was sie aus ihrem Leben gemacht haben und wie gut es ihnen aktuell geht, stehen Pate, um weitere Leute von dieser Idee zu begeistern. Liegt es daran, dass der heraufbeschworene Crash der Börsen vor der Tür steht? Dass der politisch selbstgemachte Einbruch der Wirtschaft durch stupide Marktbeschränkungen um sich greift? Oder ist die Jahreszeit („Sell in May and go away?“) schuld daran? Sehen wir uns doch mal an, was hinter FIRE – Financial Independence Retire Early – so steckt, welche Gemeinsamkeiten die Modelle haben und wie sie sich vielleicht sogar erreichen lassen…
Seit Jahresanfang poppen mehr und mehr Werbungen, wenn auch nicht die großen auffälligen Banner, sondern mehr die kleinen „Inline-Boxen“ in diversen amerikanischen Webseiten, auf, die für das Konzept „FIRE“ per Online- oder Offline-Kurs inkl. Buch und Starterpaket Werbung machen.
FIRE steht hier für Financial Independence, Retire Early – also finanzielle Unabhängigkeit und früher Renteneintritt.
Die Beispiele sind fast immer die selben, kurze Durchschnittszusammenfassung: Junges Pärchen, halbwegs erfolgreich im Job, in den meisten Fällen keine Kinder, hohe Sparrate zwischen 35 und 55 Prozent PRO MONAT! Meist irgendwo zwischen 35 oder auch kurz vor dem 40. Lebensjahr haben sie (bildlich) „ihre Million“ zusammen. Dann wird das Haus verkauft und quasi von den Zinses-Zinsen und/oder Ausschüttungen gelebt. Und sie reisen viel – natürlich günstig, ohne dass das Geld nennenswert weniger wird. Das bedeutet aber auch, dass man sich typische Ziele sucht, die kein Vermögen verschlingen – Thailand ist immer sehr beliebt, da hier auch eine gute Online-Infrastruktur vorherrscht. Budapest, früher auch die Türkei, Portugal oder Rumänien hat Europa als beliebte Ziele zu bieten. Und, wichtigste Regel: sämtliche Ausgaben werden weiterhin auf das maximal mögliche Minimum beschränkt. Luxus ist keine Position, die sich bei FIRE widerspiegelt.
An sich nicht das große Thema: wenn wir alle auf unseren „Luxus“, Dinge zu kaufen, die wir wahlweise nicht brauchen oder die wir uns nie selber kaufen würden (Stichwort für den Vergleich: Firmenwagen!) oder nur nach stringentem „tagtäglichen Einsatz“ kaufen würden und alle Laster wie Alkohol, Zigaretten, sonstige Drogen und überflüssigen Freizeitspaß weglassen würden, hätten wir auch locker – je nach Typ Mensch – ein oder zwei Nullen mehr, vor dem Komma, auf dem Konto. Ach, und ganz wichtig: wir würden in der Stadt leben, kein eigenes Auto besitzen und bevorzugt mit dem Rad unterwegs sein! Stichwort hier: Fixkosten und Wertverlust nicht zu haben, ist auch eine Ersparnis.
Wenn wir dann auch noch konsequent sparen, und ich meine damit „anlegen“ – in dem wir Deutschen wirklich kein leuchtendes Vorbild sind. Etlichen Millionen, die zu Null- und teilweise auch zu Negativzinsen auf den Konten und Sparbüchern vor sich hin vegetieren und durch die Inflation schleichend entwertet werden. Anlegen wäre gerade für ein reiches Land wie unseres kein Problem.
Ja ja, schon gut! Ich höre Eure Einwände! Steigende Mieten, steigende Lebenshaltungskosten, steigende Spritpreise, keine Zinsen auf das Konto, etc.
Aber FIRE ist eben auch ein Modell, damit umzugehen.
Dank diversen Webseiten, die von Aussteigern und solchen, die daran arbeiten, geschrieben werden, kann man sich hunderte von Tipps abgucken. Das geht von Luxusvermeidung bis zur eigenen Produktion von Konsumgütern. Letzteres findet sich bei FIRE weniger, dafür mehr bei dem deutschen „Ableger“, den Frugalisten.
Solltet ihr noch nicht aufgehört haben zu lesen und „FIRE“ zu googlen, hier die Schnellübersicht:
- Die Basis des Ganzen: SPARSAMKEIT
Hier geht es nicht um radikalen Verzicht. Auch nicht Minimalismus. Das Thema muss man genau von der anderen Seite betrachten, um es zu verstehen: es geht um den Verzicht auf überflüssigen Luxus! Wer zehn Hosen im Schrank hat, braucht keine elfte. Im Sonderangebot Unnötiges zu kaufen, ist auch Geldverschwendung. Und sich eben auch bewusst werden, dass ein Auto zu 90% der Zeit ungenutzt rum steht, aber trotzdem Fixkosten produziert – am meisten in Form des Wertverlustes.
Wer sich vom Luxus nicht „anfüttern“ lässt, muss nicht verzichten. Billigairline vs. Upgrade auf Business, zum Beispiel.
Oder: beim Thema Geldanlage nicht auf den aktiv gemanagten Fonds mit Ausgabeaufschlag (der übrigens VERHANDELBAR ist, auch wenn immer jeder das Gegenteil behauptet!) und Erfolgsprovision/Managementgebühr/etc. (die auch bei Verlusten in Rechnung gestellt wird, da ja GRÖßERE VERLUSTE VERMIEDEN wurden!) – sondern auf passive Indexfonds, die so genannten Exchange Traded Funds (ETFs) setzen.
Oder auch: bye bye Kantinenfraß, jetzt ist „meal prep“ angesagt. Wer zu Hause vorkocht und sich sein Essen selbst in die Firma mitbringt, spart nun mal Geld. Genauso rentiert sich die Anschaffung eines Mehrwegbechers für Kaffee oder Tee – statt 5€ Starbucks täglich!
Auch eine eiserne FIRE-Regel: der Wohnungskauf ist der beste Anreiz, um zu Sparen – schließlich wollen die Raten regelmäßig und pünktlich bedient werden! - Grundwissen „Finanzen“
Sparen alleine macht nicht reich. Wer weiß das besser, als die Sparbuch- und Girokonten-Könige, also wir Deutschen. Nullzinsen unterstützen keinen Zinseszins-Effekt, der Vermögen erzeugt. Also muss Börsenwissen her. Die Königsdisziplin ist ohne Frage der „Day Trader“, der aktiv an der Börse von Aktie zu Anleihe, Hebelzertifikat und Optionsschein springt, die Shorts und die Longs erkennt und auch kleinste Arbitragegewinne mit perfektem Timing mitnimmt. Sagt Euch jetzt alles nichts – macht auch nichts, hier ist auch das größte Verlustrisiko für den Laien.
Wichtig ist, dass man spart, in dem man das Thema Finanzen in die eigene Hand nimmt. Empfehlungen der Bank helfen nur dem Berater und Institut, selten dem eigenen Geldbeutel. Auch werden in erster Linie „Instituts-nahe“ Produkte, also die Deka bei der Sparkasse, angeboten. Und dann sind wir wieder beim ersten Punkt, Sparsamkeit: Ein aktiver Fonds, der 4 Prozent pro Jahr bringt, aber einmalig 5% Ausgabeaufschlag und 2 Prozent Management-Gebühr pro Jahr verschlingt, wie viel bleibt da wohl nach Abzug der EZB-Zielinflation von 2% übrig?
Nun um 5% wieder rein zu verdienen, muss er die irgendwie abliefern – dann seid ihr aber erst bei NULL Prozent Gewinn!
Und 4 Prozent jährlich, die 2+2=4 Prozent gegenüber stehen? Wenn das mal kein Nullsummenspiel ist!
Neben dem zuvor beschriebenen Weg über preiswerte ETFs und einer hohen monatlichen Sparrate von 50% ist, auf dividenstarke (aber günstige) Papiere zu setzen.
Aber Achtung: Kapitalertragssteuer berücksichtigen (inkl. Soli, der ebenfalls on Top kommt!) und den Steuerfreibetrag realistisch und vollkommen ausnutzen!
Und, nie den wichtigsten Merksatz für Börsengeschäfte vergessen: „Hin und her macht Taschen leer!“ – für jede Transaktion werden Gebühren fällig, die einen potentiellen Gewinn auffressen können! - Durchhaltevermögen
Krisen kommen, Krisen gehen. Märkte sind da, um zu steigen. Ja, ich weiß, nichts steigt für die Unendlichkeit – oder doch?
In diesem einleitenden Satz stecken die zwei wichtigsten Botschaften: wer für FIRE anlegt, hat einen langen Horizont vor Augen. 15 Jahre, 20 oder gar 30. Da wird nicht minutiös die Entwicklung der Kurse online gecheckt. Monatlich, wenn es nicht anders geht, reicht. Oder gar erst quartalsweise. Und sich eine gewisse Grundruhe „antrainieren“: Krisen sind gut, da man mit gleicher Sparrate mehr an Papieren kaufen kann, die dann mit steigenden Kursen die Gewinne treiben. Finger weg von panischen Verkäufen. Märkte brechen ein – und kommen wieder. Man muss eben nur die Zeit und Muße haben, das auszusitzen.
Diverse Vergleiche belegen, dass Gold, obwohl aktuell wieder gehortet wird, als Wertanlage nicht taugt, im Gegenteil: in den letzten 100 Jahren brachte Gold einen Gewinn von ein paar Tausend Prozent ein – bei äußerst volatilem Kurs. Ein Standard-Index wie der amerikanische S&P 500 hat in dieser Zeit über eine Million Prozent zugelegt. Wer jetzt noch die Inflation über den Zeitraum vom Goldpreis abzieht, könnte plötzlich eine wenigstens schwarze Null als „Gewinn“ sehen.
Also: nicht glauben, was immer jeder als „sicheren Tipp“ weiter gibt. Und keine Panikverkäufe, weil ein Markt mal einen Durchhänger hat. Immer dran denken: Diversifikation ist der Schlüssel. Stiftung Warentest macht es mit dem so genannten „Pantoffel-Portfolio“ auf ETFs vor: MSCI World oder besser All Country, Anleihen, Schwellenländer und Tagesgeld Barreserven. Fertig. Und dann einfach laufen lassen für die nächsten 15+ Jahre… - Smash Status Quo
Damit ist ein „gegen den Strich“-Denken gemeint. Hotel braucht kein Mensch, der die Airbnb-App hat. Oder Uber statt Taxi. Oder gleich Leihrad. Oder zu Fuß.
Sparpotentiale identifizieren und umsetzen: lohnt es sich, in die Stadt zu ziehen und dafür das Auto aufzugeben, wenn der ÖPNV „vor der Tür“ liegt? Statt Urlaub lieber Camping oder Wandern – im Inland statt Flugreise und Club?
Es ist unter FIRE-Anhängern ein wahrer Wettbewerb, hier neue Potentiale zu heben und diese mit der Community zu teilen!
Aber die wichtigste Regel, egal ob es nun FIRE, Frugalist oder einfach nur der ETF-Sparplan werden soll: je mehr Du bereit bist anzulegen und, und das ist das wichtigste, je früher Du damit anfängst, desto höher sind die Gewinne, die Du realisieren kannst!
Und hier noch, leider mit Paywall, der Wochenendtitelbericht des Handelsblatts von Anfang Juni. Viel Spaß damit!
Und wenn ihr Euch nun durch all das gearbeitet, Frugalisten und FIRE gegooglelt habt, ist der absolut richtige Moment, mal über Geld nachzudenken – egal, in welche Richtung ihr nun was daraus machen wollt!
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