Wie viele Klingen wird der nächste Rasierer wohl haben? Sieben? Neun? Alles ganz falsch!

Jahrelang waren sich die Nassrasierer-Hersteller über eins ganz klar einig: der nächste Rasierer musste noch mehr Klingen in einen Kopf verpacken – und bevorzugt eine Klinge mehr als die Konkurrenz. Auch „Drittanbieter“ nahmen an diesem „Rennen“ teil, so kann man online Rasierklingenköpfe mit bis zu sieben Klingen bestellen. Wer allerdings genau hin schaut, wird feststellen, dass zum Beispiel Gillette als Marktführer immer noch eisern an seinem „Mach3“ festhält. Hier ist der Name Programm, der Kopf hat „nur“ drei Klingen verbaut. Ähnliches auch bei Wilkinson, die ihren „HYDRO 3“, ebenfalls mit „nur“ drei Klingen, auch bis heute nicht aus dem Angebot genommen haben. Diese „Dreiklinger“ bescheren den Anbietern sichere Gewinne, da viele Nassrasierer einen Umstieg bisher konsequent verweigern. Oder nach kurzem Umstieg zum „Probierpreis“ festgestellt haben, dass ihr altes Modell immer noch das beste ist. Also – ist das „Wettrüsten“ um mehr Klingen auf gleichen Raum nun abgesagt? 

Das ist der neue Gillette - mit... ZWEI?!?!? Klingen?!?
Das ist der neue Gillette – mit… ZWEI?!?!? Klingen?!?

Da lächeln Dich also Sportler aller Couleur an und ziehen mit übertriebener Geschwindigkeit eine Klinge vom Ohr bis zum Kinn… Sogar Düsenjets, die „dreifache Mach“-Geschwindigkeit für das erste Drei-Klingen-Modell illustrieren sollten, haben wir schon im Werbeblock erlebt. Dann kam der Sprung auf Viererklingen, den Wilkinson mit dem  „Quattro“ anfachte. Gillette lies diese Stufe aus, kam dann mit dem „Fusion“ und fünf Klingen auf den Markt. Mit und ohne schwenkbaren Kopf. Mit und ohne Batteriebetrieb. Parallel dazu hatte der Mann die Wahl zwischen Gel oder Schaum, auch die Seife kam nie ganz aus der Mode.

Sagen umworben, wer heute noch den klassischen Hobel nutzt, oder ohne Unterstützung durch Alaunstein mit dem Rasiermesser umgehen kann!

An sich ist klar, was von den großen als nächstes kommen sollte: Wilkinson sechs, Gillette sieben Klingen – oder anders herum. Aber es war lange ruhig an der Front zwischen beiden. Auffällig bei einem Blick im Supermarkt ist nur, dass die „alten“ Modelle beiden wohl einen festen Gewinnbestandteil in die Kasse spülen – und dass hier Gillette mit dem MACH3 vorne liegt. Warum? Weil die Mutter von Wilkinson, Edgewell, tatsächlich das MACH3-Klingenset nachgebaut hat und als „Billigklinge“ über Drogeriemärkte in den Markt gedrückt hat.

Sofort reagierte Procter&Gamble, als Gillette-Mutter, und reichte – erfolgreich – Klage gegen diese Dreistigkeit ein. Sieht also ganz danach aus, dass auch mit bewährten Modellen heutzutage noch richtig viel Geld verdient werden kann! Laut einem Bericht des Handelsblatts verdient Gillette mit dem MACH3-Klingen weltweit 650 Millionen Dollar, in Deutschland alleine 75 Millionen. Klar, dass hier Edgewell gerne mitgespielt hätte.

Aber auch andere Anbieter tummeln sich auf dem Markt. Wer „Rasierer“ bei amazon eingibt, findet sofort die Marken Shave-Lab und Shave it, die beide eine breite Palette aus Griffen und Klingen anbieten. Teilweise günstiger als die beiden großen.

In den USA geht es noch einen Schritt weiter: hier ist Harry’s einer der großen Gewinner. Ein Startup, dass kurzentschlossen einen deutschen Klingenproduzent übernommen hat und in fast jeden Supermarkt prominent zu finden ist.

Und alle haben eins gemein: vier, fünf oder sogar sechs Klingen.

Der Trend ist klar: mehr Klingen für eine besserer Rasur. Oder etwa nicht?

Wie nun, Gillette - back to the roots, mit nur zwei Klingen? Wirklich? // Quelle: gillette.de
Wie nun, Gillette – back to the roots, mit nur zwei Klingen? Wirklich? // Quelle: gillette.de

Spot, Häme, Lachnummer! Das waren die Reaktionen, als Gillette mit seinem „neuen“ Modell „Skinguard Sensitive“ auf den Markt gekommen sind. Ein Rasierer mit… ja, genau: ZWEI Klingen. Ja, richtig gehört: zwei. Der einzige Unterschied zu dem Jahrhundert, in dem dies die größte Erfindung nach dem Mondflug gewesen ist, ist, der so genannten Präzisionstrimmer. Eine „Klinge“ auf der Rückseite des eigentlichen Kopfs, zum Nachbehandeln störrischer einzelner Haare. Oh ja, der Shitstorm zum „Klingenweltmeister“ Gillette war groß – nicht zuletzt, dank hilfreicher Werbegrafiken, die auf der offiziellen Webseite bei dem Produkt zu finden sind:

Ach - wo genau ist nun der Unterschied? Im roten Punkt? // Quelle: gillette.de
Ach – wo genau ist nun der Unterschied? Im roten Punkt? // Quelle: gillette.de

 

In meinem Praxistest bewährt sich der Rasierer – was aber meiner Meinung nach in erster Linie damit zu tun hat, dass eben zwei Klingen die Haut nicht so umfangreich reizen, wie fünf oder mehr. Die lange Liste dessen, was der „Plastikaufbau“ zwischen den Klingen bringen soll, z.B. Vermeiden von eingewachsenen Haaren, hatte ich noch nie. Daher kann ich Euch nicht sagen, ob das Teil das nun verhindert oder nicht… Wie gesagt: ich bin mit der Anwendung sehr zufrieden.

Allerdings, ein großer Nachteil besteht, den man auch von noch-mehr-Klingen kennt: Einmal über den Bartansatz gezogen, schon sind vier/fünf/sechs Klingen verschmutzt und wollen gereinigt werden, bevor der Rasierer bereit ist, für einen weiteren Zug. Genau das gleiche Konstrukt hat der Hersteller bei diesem Rasierer, wohl eher unabsichtlich, „nachgebaut“, mit den zwischen den Klingen befindlichen „SkinGuard“. Dies schränkt für mich die Rasierleistung künstlich unglaublich ein – möchte ich nach jedem Zug sofort gründlich spülen und reinigen, würde ich weiterhin mein Rasiermesser benutzen!

Extrem negativ fällt aber mal wieder die Preispolitik auf: in der größtmöglichen Klingenbox-Nachkauf-Variante erhält man 14 Stück für 40€ – was das Stück auf 2,86€ drückt, aber immer noch ein stolzer Preis für einen Duo-Klingenkopf.

Ich bin sehr gespannt, ob Gillette mit dieser „Entwicklung“ nun den Klingen-Innovations-Wahn für beendet erklärt oder sich, bis zum Sprung auf „sieben-mit-einem-Kopf“ nur ein wenig Zeit erkauft. Natürlich bin ich auch gespannt, wie Wilkinson reagiert – aber man möge nicht vergessen, dass es genug Konkurrenten auf dem Markt gibt, die Preis-technisch mal mehr, mal weniger bereits auch ein Wörtchen mitzureden haben.

 

Juhuuu: Vorbei der Wahn mit immer mehr Klingen, die zu immer schlechterer Rasur führten! Und ja, rasieren kann der „SkinGuard“ auch!

Buuuuh: Der Preis ist ja wieder der Wahnsinn! Weiß Gillette, was banale Einweg-Doppelklingen-Rasierer kosten? Ach ja, tun sie, sie bieten die ja auch an… Und, ja, die Rasur ist gut – allerdings sorgt das ganze Plastik im Kopf schnell dafür, dass die Klingen nicht mehr an die Haut kommen und erst ein Spülen den Rasiervorgang weiter laufen lässt – kleiner Fail!

Clou: Das Konzept des Rasierers könnte klappen. Zwei Klingen, weniger Hautirritation. Ein wenig Plastik für die „Innovation“ drum herum, fertig ist der SkinGuard. Mal sehen, wie der Markt entscheidet…

 

 

 

 


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