275 Ein Erfahrungsbericht mit dem Škoda Enyaq iv 80 nach knapp sechs Monaten und über 5.000 gefahrener Kilometer: Langstrecke, Ladesäulen, Defekte und überhaupt

Ich habe den 02.03.2023 noch im Kopf. An diesem Tag rief mein Händler des Vertrauens an, um mir mitzuteilen, dass mein Enyaq seit eben auf dem Hof steht. Und ich kann mich erinnern, wie langsam die Zeit verging, bis ich ihn am 12., auch noch erst nachmittags, endlich vom Hof fahren konnte. Das ist nun knapp ein halbes Jahr her, aber auch dank eines 30-jährigen Klassentreffens und wohl ganzen vier Fahrten, um die Heimat zu besuchen, kamen schneller als gedacht die ersten 5.000 Kilometer aufs Auto. Und somit wird es Zeit, mal einen Strich unter die Elektromobilität zu setzen und Erwartung, Vorbereitung und den Ist-Zustand abzugleichen. Und da ist leider nicht alles tuffig!

Mein ENYAQ an der Ladesäule, irgendwo zwischen Bayern und Berlin / Bild-/Quelle: ibdnhubzs.de
Mein ENYAQ an der Ladesäule, irgendwo zwischen Bayern und Berlin / Bild-/Quelle: ibdnhubzs.de
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Was an dem Auto nicht passt

Wenn ihr jetzt zu Hause sitzt und euch die Hände reibt und schon ein Freudenfeuer entzünden wollt, weil ihr mich bald wieder auf Seiten der Verbrennerfraktion begrüßen wollt, könnt ihr diesen Absatz überspringen. In Summe hat der Wagen, den Skoda hier gezaubert hat, meine Erwartungen erfüllt, um nicht übererfüllt zu sagen.

Trotzdem möchte ich auf ein paar Enttäuschungen eingehen.
Es sind wahrscheinlich keine fünf Euro für Skoda, aber dass sie in der Beifahrertür keinen Regenschirm mehr anbieten und dafür gute 20 Euro wollen – so arm, Skoda!
Fangen wir mit der Reichweite an. Einerseits bin ich nach wie vor begeistert, dass ich, und dafür muss ich nicht mal die 80 % voll haben, problemlos bis nach Hof komme. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich mittlerweile nicht mehr, wie in den vergangenen Jahren, stoisch maximal 130 km/h auf der Autobahn fahre, sondern mittlerweile, dank Komfortdenken, auf 120 km/h reduziert habe. Das hat aber nichts mit E-Mobilität oder dem Enyaq oder der Reichweite oder-oder-oder zu tun. Das ist eine innere Einstellung meinerseits – verbunden mit der Hoffnung, doch eines Tages, und sei es auch trotz fehlender Schilder, WAS FÜR EIN QUATSCH!, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen erleben zu dürfen.

Dass die WLTP-Reichweite eine tolle Geschichte, die sich die Gebrüder Grimm nicht hätten besser ausdenken können, ist, war mir klar. Aber, dank dem angenehm wärmenden Sommer und zwei Fahren an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden auf gleicher Strecke Berlin – Bayern und zurück kann ich vermelden: Sommerreichweite des großes 82 kWh Akku liegt bei meinem Fahrer-Setting bei guten 480 Kilometern. Das sind 140 Kilometer weniger als die WLTP-Trockenauswertung, die 620 Kilometer aus dem Zufallszahlengenerator geworfen hat.
Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich auf kleinere Reichweiten eingestellt war und mir nur wichtig war, von beiden Seiten, die ich typischerweise anfahre, ohne weiteren Zwischenstopp nach Hof zu kommen. Und das hat sich wiederum bisher problemlos erfüllt.

Was mich auch enttäuscht, ist die Tatsache, dass man dem Wagen ansieht, dass er unter Hochdruck und mit allen, was da war, schnell zusammengetackert wurde. Da sind Spaltmaße, nein, nicht am Kofferraum oder vorn an der nicht-Motorhaube, die mir einfach ins Auge fallen, zum Beispiel im in der Mittelkonsole. Da klaffen Lücken von gut einem Zentimeter. Stört mich nicht, fällt mir aber auf. Ebenso hat Skoda in beiden hinteren Radkästen oben mittig ein quadratisches Ding angeklebt, dass auf einer Seite schief geklebt ist. Stört mich nicht, fällt mir aber auf. Und davon hat Skoda noch so manche kleine Überraschungseier im Auto verbaut. Nicht dramatisch, stört mich auch nicht, fällt mir aber auf.

Auch nervt in der Praxis, dass Skoda, nein, die VW-Gruppe und deren Zulieferer, einfach keine Software können. Egal, ob Aktualisierung auf dem ENYAQ-eigenen On-Board-System oder bei den Apps – eine Katastrophe! Und dann noch die in Teilen dem Markt und dem bisher auf Mobiltelefonen erlerntem auf maximale Weise entgegengesetzt umgesetzt. Erschreckend! Beispiel: Im Navi werden mir Ladesäulen entlang der Strecke angezeigt. Wenn ich diese anklicke, schiebt sich ein Bereich ins Bild, der mir unter anderem die freien Anschlüsse vor Ort zeigt. Ich habe früher diesen Bereich immer zurückgeschoben, um dann festzustellen – so dachte ich! -, dass mein komplettes Navi nun eingefroren ist. Vor ein paar Wochen habe ich festgestellt, dem ist gar nicht so, man muss allerdings zweimal „schieben“, damit die Navigation wieder ins Hauptfenster kommt. WIESO, VW, SO EINE unintuitive SCHEIßE????

Sicherlich kann man sich jetzt noch über die durchgehende Plastikausstattung beschweren – aber hey, alles wegen des Gewichts und auch, weil ich alter Sparfuchs nicht alle Pakete bezahlen wollte. Daher: Ende mit dem Gejammer, nun zu den Lobpreisungen!

Was Skoda hier alles richtig gemacht hat

Geschmäcker sind unterschiedlich. Aber ich gehe hier mehrmals die Woche an einem ID.3 und einem dem ENYAQ gleichwertigen ID.4 vorbei. Man, DAS sind mal hässliche Autos. Und dann dieses Chaos im Bedienbereich. Warum dieser Minischaltknüppel am Rand neben oder quasi zwischen den beiden Bildschirmen? Aber ich will hier kein Bashing machen, ich wette, viele sehen mein Auto und machen auch alles andere als Design-technische Freudensprünge. Ja? Dann sind wir hiermit quitt!

Skoda hat allerdings, auch im direkten Firmenverbund-Vergleich wieder ein Raumwunder geschaffen. Ich habe zwar im Vergleich zu meinem letzten Skoda Superb Fließheck 100 Liter Kofferraum-Fassungsvermögen weniger, was in einigen Situationen echt auffällt. Aber dafür kann ich die Stauraumfläche jetzt auch Höhen-technisch komplett vollbauen – da ja kein Heck schräg abfällt. Sehr praktisch, erst recht, für eine Mischung aus Kinderwagen, Urlaubsgepäck und Spielsachen! Apropos, Skoda: Meine Frau hält das Sitzen hinten für unbequem, auch, da der Gurt fix aus einer Höhe kommt und nicht angepasst werden kann… kümmert euch doch mal – und nicht erst im Facelift, davon habe ich nichts!!!

Ach ja, zum Thema, meine Frau sitzt hinten: Total geil, dass Isofix auf dem Beifahrersitz verbaut ist. Wer mit zwei Kindersitzen und in Summe drei Erwachsenen unterwegs ist, will nicht derjenige Welche sein, der sich hinten mittig zwischen bei Kindersitze quetschen muss… ein Hoch auf Beifahrerisofix!

Nun ein kleines „ABER„: Ein 400-Volt-System stört nicht, solange man nicht am Schnelllader neben einem bayrischen Fabrikat lädt und sehen kann, dass das 800-Volt-System quasi wirklich doppelt so schnell ist…! Es war leider günstiger und ohne teure Neuerung, es aus dem Bestand so zu entnehmen…? Und warum immer noch die 12-Volt-Batterie, kann man das nicht mit dem Bordnetz des Akkus abdecken?

Bei all dem, berechtigtem, Wehklagen über die Software und auch die Skoda-eigene Umsetzung, muss man eine Lanze für das GPS brechen: Die Verkehrsdaten entsprechen in meinen bisherigen Tests denen, die auch Google über Android Auto in den Enyaq spielt. Bei der Routenführung müsst ihr bei HERE und im Rahmen eurer Dreierkonstellation nochmal rügen, dass nicht jede Überlandstrecke mit der schnellsten Route mithalten kann, nur weil sie auf dem Papier 800 Meter kürzer ist! Aber, auch wenn ich selbst heute noch ab und an misstrauisch auf die Anzeige sehe, man kann sich wirklich darauf verlassen. Auch wenn die Berechnung von verbleibenden Strecken zu einer Ladesäule meist zu konservativ ausgegeben und für mich zu früh umgeplant werden, kann man mit den Ergebnissen leben. Ebenso mit der Anzeige der Restleistung des Akkus: passt, man kann beruhigt mit drei Prozent Restenergie auf den Hof einer Ladesäule fahren, kein Problem!

Thema Ladesäulen: Obwohl ich zwischen Bannwald und Transitstrecke häufig unterwegs bin, ich bin noch nie, erst recht nicht mit leerem Akku liegen geblieben. Wie zuvor schon geschrieben, bewusst, um auch das Schnellladen, soweit das mit der 140-er kW-Restriktion machbar ist, rolle ich gerne im einstelligen Restakkubereich an einen Schnelllader. Auch in Berlin kann ich nicht klagen: 50kW-Schnelllader um die Ecke, andere Ecke hat 12 Schnelllader beim Baumarkt, an der Ecke eine 22er Säule, die seit Montage des „Nur für den Ladevorgang“-Parken-Schildes meistens leer ist. Und selbst mit den zwei direkt aufeinander folgenden Fahrten nach Bayern und zurück, die Kosten liegen weit unter den aktuellen Kosten, würde ich noch meinen Diesel fahren – also, nicht nur Sprit, sondern auch Abnutzung, Versicherung etc.!
Klar kann es mal sein, dass man auf einen freien Stecker warten muss. Ärgerlich, ganz klar, zieht dies den Ladestopp, der in meinem Fall auch kindgerecht nach wie vor mit einer Stunde geplant wird, in die Länge. Auch blöd, wenn die letzte freie Säule sich als defekt entpuppt. Aber wenigstens spricht sich bei den Verbrennern und Wohnwagenabhängernundzwischenparkern mittlerweile das aktuelle Urteil durch, dass sich das Besetzen von Ladesäulen durch Abschleppen zulasten des Falschparkers problemlos durchsetzen lässt.

Apropos Ladesäulen, das lästige Thema der vielen Anbieter und diversen Preismodelle nervt! Ich hatte irgendwann kindlich naiv geschrieben, dass ich nur zwei Karten habe. Inzwischenzeit sind daraus vier geworden. Wobei ich nach wie vor eigentlich nur die zuvor erwähnten zwei am meisten im Einsatz habe. Die beiden anderen fahren im ENYAQ mit, werden aber nicht gebraucht. Warum?

Die eine, sagen wir mal die „hessische“, hat mittlerweile die Konditionen geändert und gibt an sich auch keine physikalische Karte mehr raus. Konnte ich per Telefonanruf trotzdem bekommen, aber bei dem aktuellen Preismodell ist mir der Anbieter bisher noch nie als der Beste aus meiner „Preisvergleichapp für Ladesäulen und -tarife“ angezeigt worden.

Und die Zweite habe ich mir für Laden bei McDonalds geholt. Aber entweder muss ich nicht laden, wenn ich mal alle vier Jahre eine Ausnahme mache und dort lande oder wenn ich bewusst zum Laden komme, ist die Ladesäule noch in Bau. Tja… kann also sein, dass ich die Karte vielleicht künftig mehr brauche… Schön ist beim McDonald’s, dass man fürs Laden zahlen muss und nicht kostenfrei für ein Minieis tagelang den Schnelllader besetzten kann.

Generell muss ich sagen, dass die Abschaffung der Gratismentalität im Lademanagement vieles vereinfacht hat! Keine halbtags belegten Säulen mehr und schon fünf Gierige, die auf das Freiwerden warten – nein, Laden und weiterfahren. So muss das sein!

Und nun zum Abschluss noch nüchtern auf das Auto geschaut: Wer eine App anbietet, mit der man den Fahrzeugstatus abrufen kann und auch den Restakku auslesen als auch die Klima ferngesteuert starten kann, sollte seine Server-Infrastruktur mit den steigenden Anwendern mitwachsen lassen. Dass das in vielen Fällen nicht komplett oder gar nicht ausgelesen werden kann, ist extrem lächerlich! Völlig unterschätzt habe ich in diesem Kontext die „Karten“-Funktion in der App, mit der ich, unter Einschätzung des Verbrauchs, Routen am Handy planen und aufs Navi im Auto schicken kann. Weiterer großer Vorteil, weil ich gerade sehe, dass ich nun schon über 6.000 Kilometer gefahren bin: Inspektionen finden nur alle zwei Jahre statt! Sonst ist es eines der wartungsfreisten Fahrzeuge, dass ich jemals mein Eigen nennen musste. Strom und Spritzwasser, mehr will der ENYAQ nicht von mir!

Mein Fazit

Für mich ist E-Mobilität gekommen, um zu bleiben. Meine Erwartungen wurden im schlechtesten Fall erfüllt, in vielen anderen Punkten übererfüllt – und wer mich kennt, kennt meine Anspruchshaltung!

Allerdings muss man ein wenig Frustpotential mitbringen: Dadurch, dass wir seit Ende des 1800 Jahrhunderts nicht weiter in E-Autos investiert haben, sind wir aktuell eine Mischung aus Early Adaptor und Finanzier. Und noch dazu, wenn das E-Auto vor der Türe steht, kommen täglich neue Preissenkungen, neue Batterietechniken und auch in Summe weiter entwickelte Fahrzeuge zu gleichen oder sogar günstigeren Preisen auf den Markt.
Und da der Akku das Wichtigste am Fahrzeug ist, muss heute schon täglich geprüft werden, ob dies nicht der letzte Moment ist, um seinen Wagen noch zu einem realistischen Kurs verkaufen zu können. Das muss man auch mögen!

Ich muss zugeben, dass ich das Thema Reifen und deren Verschleiß bis jetzt nicht beurteilen kann. Hä? Wieso denn Reifen?
Weil viele Videos im Netz immer teilweise Horrorzahlen veröffentlichen, wie schnell unsere 2-Tonner teure Spezialreifen runterfressen. Ein YouTuber hat mit 30.000 km Jahresleistung allein vier Paar Sommerreifen in einem Video als Abnutzung angegeben – obwohl er kein Raser sei.

Dazu eine Anmerkung: Es gibt einen schnellen Weg, nicht nur Reifen, sondern auch den Akku im E-Auto nachhaltig zu beschädigen: der Kick-Down. Ich weiß, es ist sehr verlockend, an der Ampel alles zu versenken. Auch ist es nun Volkssport unter den Verbrennern, sich einem E-Auto bewusst in den Weg zu stellen und dann – zumindest zu versuchen -, wie der Teufel davonzuziehen. Klar habe ich die geisteskränkesten dieser Idioten dann noch weggeschnupft, aber in Summe nutze ich den Kick-down nie und lasse gerne jeden Verbrenner seine Trophäe für das Davonfahren von einem E-Auto. Wenn du so einfach zu begeistern bist, helfe ich gerne!

Aber, vom Akku abgesehen, zerstören diese „Blitzstarts“ auch die Reifen schneller – und in den meisten Fällen nicht sofort sichtbar, da sie sich durch dieses Verhalten wohl, was ich so bisher recherchieren konnte, an der Innenseite der Reifen abnutzen und nicht vorne, wo man im Vorbeigehen hinsehen kann.

Und da die meisten E-Autos ausschließlich am Heck angetrieben werden, schiebt hier eine Achse das ganze Auto vor sich her und das mit gewaltiger Kraft, da auch kein Getriebe zwischendurch für kleine Unterbrechungen sorgt. Und so bekommt man, anfangs auch noch unbemerkt, seine Reifen eben schnell auf den Recyclingturm in Springfield…!

Ich werde in einem künftigen Blog mal eine Strecke für euch planen und auf dem Papier abfahren, um zu zeigen, dass das nicht mehr Aufwand ist, als im Verbrenner mit Google Maps das Ziel einzugeben.

Also, bleibt dran, und lasst mich gerne wissen, was euch sonst noch so interessiert, wenn man plötzlich auf Kilowattstunden statt Benzin oder Diesel sitzt!


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