Mein absolutes Lieblingsbuch ist „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach, in dem ein Pizzabote aus einem sehr heruntergekommenen New Yorker Viertel aus dem Nichts eine Billion Dollar erbt – und damit machen kann, was er will. Das Buch ist eine Mischung aus VWL-Grundkurs, Geldpolitik und Zinseszins, Bankwesen und Makro- als auch Mikroökonomie. BWLer und VWLer sollten es vor dem ersten Semester lesen. Aber das Buch eignet sich auch als Gute-Nacht-Lektüre und nimmt einen von der ersten Sekunde mit. Die Story zaubert einem die Grundidee, dass ein Vorfahre einer Prophezeiung folgend genau für dich dieses Geld angelegt hat, direkt in den Kopf. Und wenn der erste „Schock“ über das Erbe vorbei ist, ist die Rechtsanwaltsfamilie, die den Pizzaboy betreut, Geld wert. Aber nehmen wir diesen Gedanken mit in den Alltag. Es müssen ja nicht gleich Milliarden sein, 15 Millionen aus Lotto am Sonntag reichen auch schon aus. Daher, lasse dich mal drauf ein: Wie würde denn dein Leben aussehen, wenn du morgen so viel Geld hättest?
Solltest du das Glück haben, im Lotto eine ein- oder zweistellige Millionensumme zu gewinnen, wirst du von der Gesellschaft informiert. Im Rahmen dieses Gesprächs wird dir mit Nachdruck dazu geraten, einen Berater, der sich um dich, deine Familie und auch um den Gewinn kümmert, anzustellen. Um den Gewinn aber nicht so, wie du jetzt denkst…
Gerade in der heutigen Zeit, mit Internet und Social Media kann ich dir, in unserem leider nur Gedankenexperiment, dazu raten, dieser Empfehlung zu folgen. Und dann wirst du zwei direkte Empfehlungen deines Lotto-Beraters bekommen: Fahre erst mal zwei oder drei Wochen in den Urlaub. Weit weg. Raus aus Europa, und irgendwo hin, wo dich keiner kennt und du keine Verwandten und Bekannten hast. Und, schmeiß dein Handy weg, scheiß auf Social Media und E-Mails. Bleib offline, unterm Radar. Und mach dir keine Sorgen, der Berater kümmert sich um Post, E-Mail und „offene Angelegenheiten“.
Während du nun in einer Nacht- und Nebelaktion zu einem Flughafen gebracht und mit deiner Family als VIP durch den Seiteneingang eingecheckt und in die Privatlounge gebracht wirst und auf deinen Abflug wartest, stattet dein Berater dein Grundstück und deine Wohnung mit dringenden Sicherheitsmaßnahmen aus. Du kannst davon ausgehen, dass sich dein Gewinn in der Ver- und vor allem Bekanntschaft, also Büro, Verein, örtliche Verwaltung mit Bürgermeisterbesuch, und, und, und schon rumgesprochen hat. Damit steigt eben auch das Risiko von Einbrüchen, Raub und schlimmstenfalls erpresserischen Entführungsversuchen – weil du ja die Millionen sicherlich zu Hause unter dem Bett liegen hast.
Auch mehrt sich, selbst in 2022, die Anzahl der täglichen Poststücke. Du willst gar nicht wissen, wer dir schreibst, du kennst sie sowieso alle nicht. Aber die Dramen, die sich hier in der Post zutragen, sind tragisch: von halbblinden Kindern, denen nur eine seltene OP helfen kann. Von Tiernotvereinen, die ganz Spanien von den wilden gequälten Hunden befreien wollen. Von Bluttransfusionen und Krebserkrankungen… sei froh, dass dein Berater sich kümmert. Nicht, dass dir nach der Lektüre dein Gewinn keinen Spaß mehr macht.
„Ach, so ein paar Euro kann ich doch verkraften…!“ – kurz gesagt: NEIN!
Wenn hier der Damm bricht, wirst du zu Hause belagert, als würde in deinem Wohnzimmer morgen das neue und endlich wieder geile iPhone verkauft… das willst du nicht haben.
Erschwerend kommt die Undankbarkeit: Du „spendest“ 100 Euro und musst dich dann als geiziger Arsch beschimpfen lassen, weil du ja auch 1.000 Euro hättest geben können. Du Arsch!
Lass das den Berater machen. Er hat Übung, teilweise kennt er die Geschichten und die Namen schon, da fällt wegwerfen und vernichten nicht schwer. Auch wird er sich darum kümmern, dass du nach deiner Rückkehr eine neue Anschrift hast, die nicht so einfach ermittelbar ist, wenn du oder deine Familie hier einige kleine Vorkehrungen – er weiß welche – trifft und einhält.
Und, analog zu der Story im Buch, wirst auch du dir eine Villa zulegen, vielleicht auch ein Boot und dich dann in einer Gegend wiederfinden, in der man seine Nachbarn schon allein aufgrund der enormen Grundstücksgrößen gar nicht kennen kann. Und, auch das beruht auf Gegenseitigkeit, gar nicht kennen will!
Wenn du jetzt mit dem Kopf schüttelst, weißt du nicht, was Geld tatsächlich alles möglich machen kann. Und bei diesem Thema, und das ist es, was ich an dem Buch mit der Billion Dollar so klasse finde, greift jetzt unterschwellig in die Story Wissen aus der Volkswirtschaftslehre und dem Bankendasein ein. Fakt ist, wir Menschen können uns den Zinseszins, den englischen compound effect, nicht vorstellen.
Kurven können wir nicht. Geraden gehen: 100 Euro, 1 Prozent, 1 Euro pro Jahr. Aber 100 Euro, 1 Prozent, 101 Euro im ersten, wieder mit 1 Prozent verzinst sind im zweiten Jahr schon 102 Euro und ein cent… und schon wir raus. Erst recht, gleiches Beispiel, bei großen Zahlen. 100.000 €, zwei Jahre, 1 %, Zinseszins… na? Genau, 102.010 €. Bonusfrage: Und nach zehn Jahren sind es… genau, 110.462,21 €. Im Vergleich dazu „linear“ nur 110.000 €.
In Einer Billion Dollar wird eine Szene beschrieben, im Keller der altehrwürdigen Kanzlei, wo der vormalige Pizzabote aus New York auf dem Bildschirm sehen kann, wie und mit welchen Zinssätzen sich sein Geld im Sekundentakt vermehrt. Und genau das macht, neben der Wahl der richtigen „Papiere“ nun mal der Zinseszinseffekt – und im Falle des Buchs, eben auch die lange Zeit seit dem 17. Jahrhundert, in der das Geld unangetastet auf die Erfüllung seiner Prophezeiung gewartet hat.
Aber nun zurück zu dir. Du hast mit Familie den Urlaub genossen, bist zurück, wohnst nun etwas exklusiver und zugleich zurückhaltender, hast dir vielleicht ein oder zwei Autos gekauft, die nach Luxus, aber nicht stinkreich riechen und genießt am Wochenende den Ausflug an einen etwas größeren See, wo dein Boot liegt. Den Rest hat dein Berater erledigt und auftragsgemäß von dir ferngehalten. In der Post, je nach Beauftragung, kommen nun Anträge von Anlageformen von Banken und Instituten, die du bisher nur in der Zeitung gelesen hast. Apropos: Dein Berater hat natürlich auch alle Presseanfragen beantwortet, dafür hat er schließlich ein höfliches, aber nichtssagendes Antwortschreiben.
Nach dieser ersten Euphoriephase kommt das Heimweh: Man hat sich doch immer super mit Müllers von nebenan vertragen, auch die Bierlaune beim Grillen fehlt. Oder deren Lütten und ihre Streiche… und auch das Geklöne im Supermarkt um die Ecke, selbst an stressigen Wochenenden… das ist mit hier nicht zu vergleichen. Wenn der Bote mit den Lebensmitteln kommt, den Lieferanteneingang nutzt, alles verräumt und tonlos wieder geht. Nun kommt er, der Moment, in dem Geld plötzlich nicht mehr alles ist. Was tun?
Das hängt auch ganz davon ab, ob du beschlossen hast, weiter berufstätig zu sein oder dich lieber auf deinem Landsitz zurückzuziehen und Privatier zu sein. Bei ersterem bist du ausgelastet, da ist das Risiko eines „Rückfalls“ eher gering – auch wenn Geheimhaltung schwierig ist. Bei letzterem empfiehlt sich nun die klassische Weltreise. Mal was anderes sehen. Mal wieder unterwegs sein, wo man sich nicht auskennt, kurz gesagt, raus aus der Komfortzone und die Welt erleben.
Ich springe wieder ins Buch „Eine Billion Dollar“: neben einer Liaison und vielen Reisen kommt hier unterwegs endlich der Zündfunke, was er mit all diesem nicht weniger werdenden Geld machen soll. Wenn einer eine Reise tut, dieser Spruch stimmt schon!
Vielleicht ist das auch was für dich: einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld…
Alternativ kannst du investieren, wahlweise in dich oder in Märkte. Oder Immobilien. Beteiligungen. Regenwald retten. Irgendetwas, was dich wieder erfüllt, quasi einen Sinn in dein Leben bringt. Auch, wenn für Außenstehende schwer zu verstehen, kann hier eine Scheidung die Familie auflösen. Und sich so eine neue Familie gründen lassen. Hier sei aber, falls nicht sowieso Gütertrennung bestand, ein guter Anwalt angeraten…!
Kurz gesagt, Andreas Eschbach hat es in seinem Buch beschrieben: Eine Mission muss her, damit man nicht auf dumme Gedanken, wie eine Scheidung, oder eben auf das nicht endend wollende Langeweilegefühl kommt und dort hängen bleibt. Aber was soll es sein? Du hast Geld, du kannst es dir aussuchen. Du kannst auch einfach bei Greenpeace anrufen und dich und dein Gesicht wie auch ein paar hochwertige Euros überweisen und schon hast du deine eigene Briefmarke.
Oder vielleicht hast du schon eine Mission, junge Leute fördern, klassische Musik für jedermann zugänglich machen oder auch einfach Elektroschrottmüllberge am anderen Ende der Welt aus den Meeren bergen? Auch wenn durch die bisherigen Schritte dein Vermögen etwas an Größe eingebüßt hat, du kannst immer noch mehr machen, als der Durchschnittsbürger.
Und um den Spannungsbogen aus dem Buch nun völlig auszureizen – und ich mache das, weil das Buch einfach ein geniales Werk ist und man es einfach gelesen haben muss! – hoffe ich, dass es euch nicht so ergeht, wie dem Protagonisten. Dem leider viel zu spät aufgefallen ist, dass er den falschen Menschen vertraut hat und auch seine Vollmachten im aktuellen Licht betrachtet eine dumme Idee waren… Schmöckert mal rein, Andreas Eschbach, „Eine Billion Dollar„.
Aber jetzt mal ganz ehrlich:
Beim Thema Lottogewinn geht bei den meisten doch die Wunschliste als Erstes über den Kontostand: Luxusauto, Luxuswohnung, Luxushaus und Reisen, Reisen, Reisen. Meist mit dem „erweiterten“ Freundeskreis. Und hier mal ne Markt und dort mal ein Scheinchen, kost‘ ja alles nix, Papa hat heute die Spendierhosen an!
Und je mehr Wünsche du in deiner Vergangenheit angesammelt hast, desto mehr der Drang, jetzt so richtig auf die Pauke zu hauen. Oder eben einfach mal zu machen, worauf man Lust hat. Ein Lottomillionär hat ein Autohaus eröffnet. Da er aber privat eine Mischung aus Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsregelungen und dem Alkohol auslebte, war nach drei Jahren alles wieder vorbei.
Ein anderes Pärchen meinte es mit Freunden und Verwandten zu gut und dachte, mit viel Geld sind Aktien und Häuser das richtige. Da wurde wohl ein wenig zu blind investiert und schon war die ganze Kohle durch.
Noch schlimmer ein Beispiel aus den USA: die Dame gewann sogar zweimal den Jackpot, den sie jedes Mal im Casino schnell wieder abgegeben hatte.
Vor allem jüngere Gewinner kommen auf die Idee, das Geld in sich selbst anzulegen. Aber leider nicht gewinnbringend in Ausbildung und Schulungen, sondern in Schönheits-OP. Ist eine Option, macht einen aber trotzdem ärmer und auf Dauer pleite. Erfahrungsgemäß ist in den seltensten Fällen nach einmal Schluss.
Und warum das alles? Weil den meisten Menschen die finanzielle Bildung fehlt. Da wird viel Geld, dann plötzlich ganz Gordon-Gekko-ähnlich per Gier auf die seltsamsten und risikoreichsten Anlageformen spekuliert, weil man ja auch wieder was zurückbekommen möchte…
Die wenigstens von euch, die das lesen, werden jetzt mit dem Kopf nicken. Eher, auch das ist beim Thema Geld typisch für uns Menschen, den Kopf schütteln. So schnell lassen wir uns alle nicht über den Tisch ziehen.
Aber dann überlegt mal: Lottogewinn oder Erbe, 20 Millionen Euro. Steuer, Staat und sonstige Abgaben sind alle schon bezahlt, das ist euer Geld. Und es sollte euch und eurer Familie die nächsten 80 Jahre gut zur Seite stehen und in Teilen liquide Dienste bringen. Und nun?
Wenn ihr jetzt ganz planlos seid oder nach einer Anleitung sucht, denkt an meinen Buchtipp: Andreas Eschbach, „Eine Billion Dollar„. Oder schließt einen ETF-Sparplan auf den MSCI All Country ab, damit kann man auch nur ganz wenig falsch machen (ist kein Anlagetipp, ihr müsst selbst wissen, was ihr tut und wohin ihr euer Geld legt)! Oder schafft euch eines der in diesem Bereich empfehlenswerten Büchern an, wie So werden Sie reich wie Norwegen, Rich Dad, Poor Dad, Das einzige Buch, das du über Finanzen lesen solltest oder auch Warum hat mir das niemand früher über Geld verraten?. Alle Links, ihr kennt mich, gehen zu amazon, wahlweise als audible Hörbuch, Kindle oder eben in Papier.
Und? Wie war das Gedankenexperiment? War doch ein schöner Ausflug mit so viel Geld – oder?
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