Wer kennt sie nicht, die zahllosen Kleinigkeiten im Arbeitsalltag, die einem für eine Sekunden den Atem rauben und einem sämtliche Motivation, Lust und gute Laune rauben? Wenn der Chef einen halbtags mit seinen Geschichten von gestern erfreut, um nachmittags einen Einlauf auszuteilen, weil die Deadlines gerissen worden sind? Oder die Problematik, wenn man mit Chef privat befreundet ist? Für all das und noch ein paar Fälle mehr gibt es nun ein Fachbuch, dass mit viel Humor an die Sache ran geht: Richtig falsch arbeiten.
Der Anti-Ratgeber, so das Genre, das dieses Buch am besten trifft, sei nur hartgesottenen, humorvollen oder leidgeplagten, die wissen wollen, dass sie nicht alleine sind, empfohlen. Und so ist es auch mit weiteren aktuellen oder lesenswerten Anti-Ratgebern, wie zum Beispiel „Montags muss ich immer kotzen: Erste Hilfe gegen Arbeitsübelkeit“ oder dem „Frustjobkillerbuch: Warum es egal ist, für wen Sie arbeiten„.
Das Bücher dieser Art aktuell den Zeitgeist mehr denn je treffen, zeigt auch die jährliche Gallup-Studie des „Engagement Index„, der weltweit und auch für Deutschland erstellt wird. Und, was soll man sagen: die Mehrheit der Mitarbeiter, in Zahlen für das vergangene Jahr 2018 sind das 71 Prozent, machen bestenfalls noch Dienst nach Vorschrift ohne jegliche Bindung an das Unternehmen. Schuld daran ist die Kultur des Unternehmens und, ganz klar, das Verhalten der direkten Führungskraft. In Summe entstehen somit volkswirtschaftliche Schäden bis zu einer Höhe von 103 Milliarden Euro.
Paradoxerweise werden Unternehmen, denen die Mitarbeiter ein hohes Maß an Agilität zuschreiben, positiver und mit mehr Mitarbeiter-Motivation getragen, als andere – jedoch nur, wenn auch die Kultur des Unternehmens ein stimmiges Bild abgibt.
Und genau da setzten diverse Anti-Ratgeber an: um den verschreckten oder gar gemobbten Mitarbeiter nicht wie ein scheues Reh gänzlich zu verschrecken, geht man mit Humor und witzigen kleinen Anekdoten an die Probleme heran und zeigt, dass nicht nur die jeweils eigene Führungskraft oder das jeweils eigene Unternehmen ein totaler Sauhaufen, der kurz vor dem Untergang steht, ist – sondern das es, wie Gallup ermittelt hat, Millionen anderen Bundesbürgern genau so geht.
Besonders schön ist die Struktur des Buches, die bei der Wurzel allen Übeln in den meisten Fällen, gleich im ersten Kapitel ansetzt: „Richtig falsch führen. Die Kunst der Mitarbeiterdemotivation“. Dem folgen 24 Seiten geballte Inkompetenz, die so leider tagtäglich in den Büros passieren – nur ein wenig pointierter betrachtet und mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es eine Anleitung ist, wie man es so richtig falsch macht. Quasi Stromberg als „best practice“.
Und das zieht sich nun über 50 Kapitel, mit so spannenden Dingen wie „Chempeln“ – also der Chefdisziplin der Mitarbeiterdemontivation, der Kombi aus Chef und Kumpel. Sämtliche Energie wird auf Superstimmung gesetzt, unangenehme Themen werden beiseite gewitzelt und beim Feierabendbier wird sich konsequent mit jedem zuverlässig verbrüdert – vor allem auch jenen, denen es ganz offensichtlich unangenehm scheint. Und wehe, es geht nun irgendwas schief: Hallo, autoritärer Modus. Mit voller Härte und Breitseite für die Mitarbeiterdemotivation. Wie würde Stromberg sagen: „Büro ist Krieg!“.
Von richtig falsch zusammenarbeiten über richtig falsch Karriere machen bis hin zu Kernkompetenz Kritikunfähigkeit – das Buch geht sozusagen von morgens bis abends mit einem über den Flur und greift die typischen Situationen auf, die von morgens bis abends, landauf, landab in den verschiedensten Büros so passieren.
Da ich selbst schon mal die Freude hatte, mit einem ehemaligen Vorstand der Otto Group unter der Überschrift „Die Mitarbeiter kommen wegen des Unternehmens und gehen wegen der Führungskraft“ einen Abend lang zu diskutieren, nehme ich Punkte wie aus dem Buch „Management bei Herumschlendern“ eher mit Humor. Traurig aber, dass sich auch seit Patrick Cowden’s Buch „Mein Boss, die Memme: Was läuft schief in deutschen Chefetagen?“ im Jahr 2013 die Situation jährlich verschärft und nicht verbessert – siehe Gallup und siehe das hier vorgestellte Buch „Richtig falsch arbeiten“.
Wer also im „Dienst nach Vorschrift“-Bereich angekommen ist, innerlich gekündigt hat aber ganz offen bekennt, dass es ihm, sei es wegen der Bezahlung oder den Kollegen oder dem schönen Leben im Büro, nicht um eine „richtige“ Kündigung geht, ist potentielle Zielgruppe des Buchs „Richtig falsch arbeiten“.
Macht mich aber nicht dafür verantwortlich, wenn in Euch plötzlich wieder ein Feuer brennt – und erst recht nicht, wenn es Tage später aus geht, da die Parallelen zwischen Buch und Realität doch zu nah sind.
Aber, kurze Aufmunterung: die Kollegen von t3n haben eine Liste online gestellt, welche zehn Dinge die besten Chefs der Welt tun – vielleicht hilft Euch das auch ein wenig weiter, und sei es nur für die Bewertung des künftigen Chefs im nächsten Bewerbungsgespräch.
Also: Kopf hoch!
Und bei Euch so? Unlust, innere Kündigung, Dienst nach Vorschrift, Mobbing? Wie geht ihr damit um, wie kommt ihr damit klar – und welche Ratgeber könnt ihr so empfehlen? Ich freue mich auf Eure Rückmeldungen, am besten als Kommentar unter den Blog!
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