268 Pilot und Führungskraft – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, was für eine oberflächliche Veranstaltung!

Ich war vor ein paar Tagen bei einer Veranstaltung, bei der am Ende herauskam, dass Piloten die besseren Führungskräfte sind. Freut mich, erst recht mit Blick auf die gesetzten Schwerpunkte: die Verantwortung. Die Vorbereitung. Die Landung. Allerdings blieb hier alles hart an der Oberfläche – und was hat eine normale Führungskraft am stets gleichen Schreibtisch im Ameisenhaufen denn für Optionen, um bei so einem Vergleich überhaupt ebenfalls heroisch abzuschneiden? Ich gehe mal einen typischen Sichtflug für euch durch, dann könnt ihr einordnen, was zu eurer Führungsrolle oder der Umsetzung durch euren Chef so passt und warum sich das meiner Meinung nach nicht vergleichen lässt!

Auf vielen Schlüsselbundanhängern und Lanyards zu sehen - aber ein sehr ernster Hintergrund / Bild/-Quelle: ibdnhubzs.de
Auf vielen Schlüsselbundanhängern und Lanyards zu sehen – aber kaum einer kennt den sehr ernsten Hintergrund, wie hier im Bild, als Staurohrschutz / Bild/-Quelle: ibdnhubzs.de

Natürlich wollen Kinder, ganz im Spiel verloren, lieber Pilot oder Polizist sein, als Führungskraft. So ungefähr war auch der Aufbau einer Veranstaltung, an der ich teilnehmen durfte, die die Könige der Lüfte mit den Königen der Firmen vergleichen… wollten. Leider stellte sich schnell heraus, dass der Abend eher an der Oberfläche bleibt und einige der Vergleiche ziemlich hinkten. Ich bin kein Fan von Vergleichen, erst recht, wenn sich mir der Sinn dahinter nicht erschließt. Erst recht nicht, wenn die Veranstaltung eher hinkt und dann noch maximal an der Oberfläche kratzt. Genau deshalb habe ich meinen ursprünglichen Plan, hier die Thesen mal mit Praxisbezug gegenüberzustellen, verworfen. Der Zulauf scheint dem Veranstalter recht zu geben und seichte Unterhaltung war wohl der Wunsch des Abends.
Ich bin nun kein Airliner-Pilot, daher gehe ich mit euch die Phasen eines Sichtflugs durch – das könnt ihr dann gegen euren Chef oder eure Tätigkeit halten und ableiten, was ihr wollt – ich finde, solche Vergleiche hinken zu sehr. Aber wenn ihr Interesse am Fliegen habt, steigen wir nun in die Phasen zwischen Flugvorbereitung und Hangariern ein.

Starten, Fliegen, Landen – wie schwer kann es sein?

Ich hatte euch schon mal von einem der wichtigsten Sprüche in der Luftfahrt berichtet, nämlich dem Bonmot, dass es alte Piloten gib und mutige Piloten – aber eben keine alten mutigen Piloten. Fliegen ist immer noch Demut vor dem Werk vieler wagemutiger Piloten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts alles daran gesetzt haben, endlich in die Luft gehen zu können – bis es 1903 endlich losging. Also, wie schwer kann Fliegen sein?

Für mich beginnt zu Hause alles mit einem Blick auf drei Wetter-Apps auf dem Handy. Die Erste ist Pflicht, da ich offiziell beim DWD ein Bild einhole. Das wird protokolliert und falls mal was schiefgeht, kann mir das den Allerwertesten retten. Die zweite ist eine stinknormale Wetter-App, die dritte wieder mit Flugbezug, aber aus meiner Sicht nicht so daneben in den Vorhersagen wie der Wetterdienst. Wichtig und oft vergessen, der Blick auf dem Autofenster auf dem Weg zum Flughafen und auch zum Himmel, wenn die Maschine endlich aus dem Hangar gezogen wurde.

Da beneide ich immer „die Großen“, mit ihren fertigen Briefing-Unterlagen, Experteneinschätzungen und all dem, was hier fix und fertig im Briefingraum warten. Wenn das Wetter in Richtung Gewitter oder Scherwinde oder eben Winde über die Zulassung des Fliegers hinausgehen, war es das. Ich hatte in der Ausbildung einige Flüge, die bewusst diese Extreme gesucht haben und ich weiß, dass ich den Flieger hier im Griff habe und auch eine Landung hinbekomme – aber Sicherheit heißt auch, zu wissen, wann man nicht fliegt. Und das idealerweise vor Abflug entscheidet.

Wenn das Wetter nun passt oder in den Limits ist, kommt der Check. Haben sich Tiere in den Öffnungen eingenistet, ist Wasser im Tank, passt der Ölstand. Sind alle Teile beweglich – und auch nicht zu viel? Hierzu geht man den Flieger nach Checkliste ab und greift in Schlitze zwischen Landeklappen und Seitenruder, zieht Seilzüge in verschiedene Richtungen und beachtet auch, dass Abdeckungen von den Öffnungen entfernt werden. Der Klassiker, den viele als Schlüsselanhänger haben, den „Remove before flight“ will man nach dem Abheben mit Geschwindigkeitsanzeige „Null“ nicht neben sich am Fenster im Wind baumeln sehen!

Checks nach Liste oder POH, dem Pilot’s Operating Handbook, erledigt. Spritmenge und Flugvorhaben inkl. persönlichem und verpflichtendem Aufschlag getankt? Öl geprüft? Dann kann die Maschine gestartet werden. Im Warmlauf werden Anzeigen geprüft und hochlaufende Zeiger überwacht, bevor man den Magnetcheck startet. Nur wenn dieser bestanden wurde, läuft der Motor und dessen Steuerung rund und es ist an ein Abgeben zu denken. Also, Headset auf, Frequenz rein und „say intensions“.

Rollen und Take off

Auch auf den „kleinen Plätze“ kann eine Menge los sein und man sollte nicht nur beachten, was man sieht oder auf der Frequenz gesagt bekommt. Entscheiden auch, was noch in der Platzrunde hängt und ob vielleicht „nebenan“ Windenstart für Segelflug stattfindet – der hätte dann nämlich Vorrang, darum dreht sie da auch immer ein Blinklicht mit.

Sonst ist die größte Herausforderung, den richtigen Taxiway zu finden, zu berollen und so zum Rollhalt an der Piste zu kommen. Hier werden erneut letzte Boden-Checks an der Maschine durchgeführt, bevor man mit oder ohne Meldung, je nach Platz – aber niemals die Flieger in der Platzrunde dabei vergessen -, auf die Piste aufrollt und in den Startlauf übergeht. Hierbei ist die letzte Chance, auf dem Boden ein Problem zu finden, gegeben – sie kann aber schnell vorüber sein, meist werden mit 55 Knoten die Nasen der Flieger hochgezogen… so unspektakulär kann ein Take Off sein!

Streckenflug auf Autopilot

Im Unterschied zu den „Großen“ gibt es im Sichtflug an sich keine Abflugrouten. Wir folgen einer sogenannten Platzrunde, die gewissermaßen von den Pistenenden ein langezogenes Oval beschreibt. Größtenteils kann mit dem ersten 90 Grad Wechsel aus diesem Geradeflug direkt in das Flugvorhaben übergegangen werden. Oder nach einem weiteren 90 Grad Schwenk, der den Abflug nun parallel zur Piste führt und nun ein Verlassen der Platzrunde ermöglicht.

Die Arbeit wird aber jetzt nicht weniger, da die wenigsten Vereinsmaschinen einen Autopiloten besitzen und in vielen Fällen, wenn doch, die Bedienung unklar ist. Also heißt es Höhe und Kurs mit der Hand zu halten und soweit zu trimmen, dass die aktuelle Motoreinstellung die Höhe nicht signifikant erhöht oder in einen Sinkflug übergehen lässt. Während durch Blick nach Außen potenzielle andere Flugzeuge identifiziert werden und durch Bodenbetrachtung immer wieder ein Abgleich der korrekten bzw. geplanten Position abgestimmt wird.

Und während man das alles macht, hängt man am Funk, dreht Knöpfe, prüft das GPS und baut sich aufgrund dessen, was man im Funk hört ein Lagebild, wo welcher Flieger ist und welches Wetterphänomen auf einen zukommen könnte.

Anflug

Irgendwann findet der schönste Flug sein Ende – aber dafür muss der gewünschte Flugplatz gefunden und angeflogen werden. Wenn der Flugplatz unbekannt ist, wird meist in einer Höhe über der Platzrunde quer oder diagonal über diesen geflogen. Dabei wird auch der Windsack, die Position der Bahnen und weitere Details in Augenschein genommen. Wichtig: die Aktion wird über Funk vorab angekündigt! Dann wird sich in die Platzrunde eingefädelt, idealerweise in den Gegenanflug. Dann bleibt genug Zeit, die Geschwindigkeit anzupassen, die Klappen zu setzen und über Queranflug in den Endanflug zu drehen.

Landung

Im Idealfall resultiert der Endanflug in eine Landung auf der Piste. Dank Funk oder der vorher überflogene Windsack ist die Richtung und Geschwindigkeit bekannt, was die Landung vereinfacht. Nun heißt es den Flieger auf Spur halten und nicht nur durch brachialen Bremseneinsatz die Maschine auf dem Boden zu halten und zu verlangsamen. Schließlich, nach dem Motto „say intensions“ wird die Piste verlassen und im Funk weitere Schritte abgeklärt. Somit ist der Flug erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen.

Vergleich zur Tätigkeit einer Führungskraft im Alltagsgeschäft

Und nun ordnet diesen Flugabschnitten mal die Arbeit einer Führungskraft über.
Klar, Verantwortung tragen beide. Und wo der Pilot Material-schonend bei Start, in Flug und bei der Ladung agiert, kann die Führungskraft Millionendeals zum Wohle der Firma oder eben auch dringende Personalmaßnahmen erbringen. Auch ist Strategie das Schwert der Führungskraft, wo der Pilot das Ruder und die geplante Strecke vor Augen hat. Trotzdem hat mich die Veranstaltung und die Thesen nicht abgeholt oder mitgenommen. Auch während ich hier die Phasen eines typischen Fluges beschrieben habe, ist es mir immer schwergefallen, die Arbeit einer Führungskraft gegenzuhalten, ohne es erzwingen zu müssen.

Auch sind viele Aspekte der ATPL-Flieger nicht im Ansatz bekommen: Multi Crew Co-Operation, Schichtpläne, drohende Ein-Mann-Cockpits oder auch Cockpit Ressource Ansätze – nichts davon. Ich würde böse sagen, dass war wohl bei Google oder YouTube nicht so leicht zu finden.

Die Veranstaltung war kurzweilig, hatte aber ihre blinken Flecke. Und einige Vergleiche hinkten gewaltig. Leider sind die angekündigten Begleitfolien noch nicht da, sonst würde ich euch diese hier bereitstellen – vielleicht seht ihr dann eure Führungskraft plötzlich in ganz anderem Licht…

Egal, ob Pilot oder Führungskraft, jeder, der da draußen seinen Job gut erfüllt ist für mich ein Held der Arbeit. Also lasst euch nicht mit sinnlosen Ansätzen oder mit anderen Berufsbildern vergleichen, bloß weil einer hier einen Narren an seinem Steckenpferd gefressen hat. Und nun: weitermachen, das gilt auch für mich!


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