Ihr kennt meine Begeisterung fürs Fliegen. Was lag also nach Tegel-Schließung, wieder eine der dümmsten Entscheidungen einer unstrukturierten und jämmerlichen Dings-Stadt, im Juli näher, als sich eine Cessna zu schnappen und an einem sonnigen Tag in Richtung Ostsee zu verschwinden? Kurz gesagt: nichts! Der Flieger war einsatzbereit, betankt und wir zu zweit im Cockpit, bereit in etwas über einer Stunde die Füße in die Ostsee zu halten. Wetter war windig, die Sicht gut, also dem Turm erklärt, wie wir rollen wollen und auf der Piste die Startfreigabe eingeholt. Unser Abenteuer konnte beginnen!
Flugvorbereitung erledigt, Wetter gecheckt, der Flieger aushangariert und geprüft, nun gilt es zur Tankstelle zu rollen und die beiden Tragflächen für den errechneten Hin- und Rückflug zu befüllen. Danach rollen wir direkt zum Rollhalt der Piste, letzte Checks und Abflug.
Das Wetter zeigte sich, kaum, dass wir unsere erste Reisehöhe erreicht hatten, wie zuvor in der Papierlage: Wind, reichlich Wolken ohne geschlossene Decke und Sonne pur. Ich trimmte die Maschine auf die aktuelle Höhe, bis wir die Kontrollzonen von Schönefeld und die Sperrzone über der Stadt hinter uns hatten. Dann sprangen wir weitere 1.000 Fuß (ca. 305 m) nach oben.
Der Flug zeigte sich Wetter-technisch wirklich von seiner schönsten Seite. Einzig die Windprognose ab 3.000 Fuß (ca. 914 m) und darüber sollte uns direkt auf die Nase blasen und das mit einer Geschwindigkeit, dass die vereinzelten Wolkenfelder über uns nur so davon geweht wurden. Ich warf einen Blick auf die beiden Tankuhren der Cessna – die leider nur in einem Zustand den korrekten Wert anzeigen: wenn beide Tanks absolut leer geflogen sind. Ich sah zwei Zeiger wild zwischen „Full“ und „Half“ hin und her pendeln.
Zwischen uns und der See lagen noch knapp 20 Minuten Flugzeit, als erste graue Wolken sich in die vorbeifliegenden Wolkenfetzen einreihten. Auch nahm auf unserer Höhe nun der Wind zu, immer noch direkt auf unsere Nase – absoluter Gegenwind. Das war es mit der Windprognose, die vorher noch so lala bis okay war, aber jetzt hat sich unsere Planung definitiv erledigt. Kurze Lagebesprechung, da die Tanknadeln nun eher zu „Half“ tendierten. Also: Fotoflug statt Landung, nix mit Füßen in die Ostsee – und, mit laufender Stoppuhr gemessen, in 15 Minuten wird der Heimflug angetreten.
Also erst mal noch weiter zu unserem Zielflughafen Heringsdorf (EDAH), auf dem vorstehenden Bild rechts bei der Tragflächenstrebe unten an der Landkante. Aber der Wind ließ sich nicht überzeugen, so entstand das Foto hier: im Vorbeiflug, um wenigstens die Ostsee auf einem Bild zu haben.
Vorteil des Rückwegs, wir haben uns weiterhin 1.000 Fuß vertikal von den Wolkenuntergrenzen ferngehalten, nun aber mit dem Wind von hinten, der uns gleich mal gute 10 Knoten frei Haus auf den Flieger drückte.
Nun galt es, das Beste aus dem Rückflug zu holen. Und siehe da, mein Mitflieger hatte die beste Idee, die man in dieser Lage und von dieser Richtung kommend, haben konnte. Ich sprach also mit der Flugsicherung, um sie in unseren Plan einzuweihen. Und dass wir sehr wohl, auch wenn wir knapp ran fliegen werden, die Sperrzone über das jämmerliche Berlin nicht verletzten werden. Ich weiß genau, wie der Kollege in Langen uns nun auf seinem System markiert und farblich hervorgehoben hat. Den Spruch hat er sicherlich schon so oft gehört und wie so oft ging er davon aus, dass auch wir in die Sperrzone einfliegen werden.
Aber nein, nicht mit uns. Wind hin oder her, wir wollten nur ein Foto, ein letztes Mal, bevor hier der Berliner Wahnsinn tobt und man auch daraus unsinnig und ohne Plan mit Bebauung beginnt:
Wind hin oder her, das Wetter war bombastisch, und da wir die Einzigen hier waren, sind wir noch eine Schleife geflogen, bevor wir dem Lotsen die Chance gaben, sich die Schweißperlen von der Stirn zu wischen:
Unvergessen, dass ich aus dem Jumpseat einer 738 der AirBerlin auf der Runway eine Cessna den Flughafen überfliegen gesehen habe, was uns da unten ausgebremst hat. Und die Lärmdiskussionen mit einem Captain, der in Frankfurt ein Grundstück kaufen wollte, was wir hier durch Nutzung eines anderen Taxiways mit „kleinem Hügel“ live aus der Maschine testen konnten… Ob man den Flughafen nun mochte oder nicht, so viele Erinnerungen!
Trotz des Rückenwinds und unserer Nostalgie war es nun Zeit, wieder mal die sich Richtung „EMTPY“ schaukelnden Tanknadeln zu berücksichtigen, mussten wir doch im Westen wieder auf Lufträume achten, um zum Heimatflughafen zu kommen.
Nach der Landung und dem Taxi zum Hangar musste ich, auch in Hinblick auf künftige Flüge, den Peilstab in beide Tanks hängen und nachrechnen. Wir hatten noch Sprit für etwas über 75 Minuten. Allerdings geht davon eine Sicherheitsreserve von 30 Minuten ab, die ich an diesem Tag aufgrund Wind in meiner geistigen Kalkulation durchgehend auf 60 Minuten gerechnet hatte. Ich muss aber dazu sagen, dass ich hier eine zweite Platzrunde nach einem möglichen Durchstarten auch hineingerechnet hatte, was ich großzügig mit 15 Minuten veranschlagt hatte.
Ich weiß, dass man meine vorstehende Rechnung und die Aufschlüsselung kritisch sehen kann oder mich als zu vorsichtig einstuft. Auch hätten wir in Heringsdorf wahrscheinlich Sprit bekommen und einfach mal 45 Liter nachtanken bzw. vor dem Tanken mit dem Peilstab den wahren Füllstand prüfen können. Da ich die Route vor Abfahrt zum Flughafen und auch vor Ort vor Abflug erneut verprobt hatte, habe ich im Vorfeld keinen Kontakt mit unserem Zielflughafen aufgenommen. So war mir eventueller Sprit im Flieger wichtiger, als beim Abrollen nach der Landung zu erfahren, dass erst Montag wieder mit AvGas zu rechnen wäre… Ich gebe es zu, ich halte mich da lieber an den guten alten Spruch:
Es gibt alte Piloten und es gibt kühne Piloten, aber es gibt keine alten, kühnen Piloten.
Always happy landings!
Und ein Dank an Christian für den sonnigen Flug und die tollen Fotos, die ich hier verwenden durfte!
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